Die Geschichte von TuB Leipzig (1905-1925)
- Peter Schön
- vor 3 Tagen
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Der Verein für Turnen und Bewegungsspiele, kurz TuB Leipzig ist ein Vorgängerverein des FC Blau-Weiß Leipzig. Seine eigenständige Existenz endete durch die Fusion mit dem VfK Blau-Weiß Leipzig 1892 und dem Leipzig United F.C. im Jahr 2017. Seine Geschichte ist damit Teil des neuen zusammengeschlossenen Vereins. Die Kurt-Kresse-Kampfbahn in der Diezmannstraße ist untrennbar mit TuB Leipzig und seinen Vereinsfarben verbunden.
Abtrünnige Mitglieder des Allgemeinen Turnvereins gründeten am 13. Oktober 1905 im Restaurant Freyberg-Bräu in Kleinzschocher den Verein für Turnen und Bewegungsspiele Leipzig-West. Neben Turnen sollten hier auch alle Arten des Bewegungssports eine Heimat finden. Die erste Generalsversammlung im Gasthof zum Reichsverweser am 22. Oktober 1905 war geprägt von grenzenlosem Optimismus und Liebe zur Sache, verfügte der Verein damals nicht mal über das Nötigste. Mit dem Anschluss des SC Metor als selbstständige Riege im „TB-West“ fand auch der Fußball eine Heimat im neuen Verein. Schwerpunkt blieb aber zunächst der Turnbetrieb.
Erst sechs Jahre nach seiner Gründung gelang es TuB, seine erste 14.000 Quadratmeter große Sportfläche, den Bereich des heutigen Feld 2, von der Kirchgemeinde zu pachten. Zuvor spielten die Fußballer, die 1908 als bürgerlicher Verein Mitglied im Verband Mitteldeutscher Ballspiel-Vereine (VMBV), damit auch des Deutschen Fußball Bundes (DFB) wurden, auf einer Wiese in der Nähe der Meyer´schen Häuser. Am 26. März 1911 wurde der erste Platz und eine kleine Baracke mit zwei Kabinen mit dem Spiel gegen den FC Britannia (heutige BSG Chemie) seiner Bestimmung übergeben.
Der Verein wuchs kontinuierlich und wurde 1914 als Verein für Turnen und Bewegungsspiele Leipzig, nun kurz T.u.B., unter der Nummer 479 ins Leipziger Vereinsregister eingetragen. Der Erste Weltkrieg bremste die rasante Entwicklung. Von 192 Mitgliedern musste 170 in den Krieg, 39 kehrten nicht mehr zurück. Im Jahr 1921 wurde ihnen zu Ehren ein Denkmal errichtet. Der „TuB-Geist“ überlebte aber den Krieg und so schaffte man 1919 den Aufstieg in die Liga im Kreis Nordwestsachsen, spielte dort gegen Größen wie dem Altmeister VfB, Wacker, Fortuna und Spielvereinigung.
Die Mitgliederschaft wuchs nach dem Krieg rasant und so benötigte man weitere Flächen. Die Vereinsleitung beschloss den Ankauf von ca. 20.000 Quadratmetern des angrenzenden Ackers bis zur Diezmannstraße, dem heuten Feld 1. Die stattliche Kaufsumme und die Erschließung sowie Umfriedung wurden von Gönnern und Mitgliedern erbracht. Der noch heute vorhandene Zuschauerwall wurde aus Müll und Asche gebaut. Die Einweihung erfolgte am 31. Juli 1920 mit einem Spiel gegen die Spielvereinigung. Ab 1920 gab es auch eine eigene Vereinszeitung (bis 1940).

Und diese Platz-Erweiterung sollte nicht die Letzte sein. Doch zunächst wurde am 31. Oktober 1921 der Grundstein für das neue Vereinshaus mit Turnhalle gelegt. Der inflationsbedingt knapp 800.000 Papiermark teure Bau wurde am 23. April 1922 eingeweiht. Damit hatte TuB eine der modernsten Sportanlagen seiner Zeit. Zum 20. Jubiläum konnte dann noch eine weitere Fläche hinzugepachtet werden. Diese Fläche, der heutige Hartplatz, diente dem Fußball, Hockey und mit der Aschelaufbahn von 350 Metern der Leichtathletik. Im Jahr 1928 erhielt die Anlage endlich einen Straßenbahnanschluss.
Entgegen vielen Widerstände in den Anfangsjahren entwickelte sich der Fußball bei TuB rege. Mit der Aufnahme in den Verbandsspielbetrieb 1908 eilte die Abteilung von Erfolg zu Erfolg. Nach dem Kriegsende 1918 stieg man nach dramatischen Spielen gegen den FC Rasensport, nein, nicht der Vorgänger von RB Leipzig, in die 1. Liga auf. In der höchsten Liga sollte man bis zur Machtergreifung der Nazis 1933 verbleiben. In diese Zeit fielen auch mehrere Siege gegen den ruhmreichen VfB Leipzig, dem dreifachen Deutschen Meister und Pokalsieger von 1936.

Höhepunkte in dieser Zeit waren sicherlich die Spiele gegen den mehrfachen deutschen Meister 1. FC Nürnberg im Jahr 1921 (0:2 und 2:3), gegen die damals renommierte Viktoria Berlin (0:5) und den späteren Rekordmeister FC Bayern München im überfüllten TuB-Sportpark im Jahr 1939 (0:4). In der Liga (Gau Nordwestsachsen, ab 1927 Gau Groß-Leipzig Nordwestsachsen) belegte TuB regelmäßig gute Plätze im Mittelfeld. Zu Spitzenspielen kamen nicht selten bis zu 5.000 Zuschauer. Erfolge feierten auch die anderen Teams, so die alten Herren, die in der Saison 1924/25 Gaumeister wurden. TuB etablierte sich zu einer stabilen Größe im Leipziger Fußball. Im Jahr 1928 hatte der Mehrspartenverein TuB 1.200 Mitglieder.

Ab 1933 erfolgten nicht nur umfassende gesellschaftliche Veränderungen, auch das Sportsystem wurde neu geordnet. Die regionalen DFB-Klassen wurden zerschlagen, man schuf u.a. die Gauliga V Sachsen, für welche für TuB kein Startplatz vorgesehen war. Ab sofort war TuB damit in der Bezirksklasse nur noch zweitklassig. In der Saison 1938/39 fehlte indes nur ein Punkt zum Aufstieg in diese höchste Klasse, ein Jahr später war man wieder Tabellenführer; der Zweite Weltkrieg führte aber zum Abbruch und zur erneuten Umstrukturierung des Ligasystems. Dennoch scheiterte man 1939/40 wiederum knapp im Entscheidungsspiel am Aufstieg. Der Krieg zollte indes seinen Tribut, vielen Vereinskameraden starben an der Front. In der sächsischen Kriegsklasse scheiterte TuB im „totalen Krieg“ in seiner Staffel knapp, letzter Stadtmeister wurde 1945 der VfB Leipzig. Ein Teil des TuB-Geländes und das Vereinshaus wurden im Krieg für die Unterbringung von Zwangsarbeitern genutzt.

Beim sogenannten „West-Turnier“ im TuB-Sportpark zu Ostern 1945 fanden die letzten Leipziger Fußballspiele im Krieg und wahrscheinlich auch die letzten Spiele des alten TuB überhaupt statt. Dies zeigte die Begeisterung der gebeutelten Menschen, dass trotz aller Schwierigkeiten und Nöte noch Fußball gespielt wurde. Mit dem Kriegsende stand nun eine neue Fußballepoche an und die Hoffnung auf einen Neuanfang, ein Neuanfang aber ohne den alten Verein. TuB wurde, wie alle Vereine, nach dem Krieg enteignet und zwangsaufgelöst. Der neue Verein hieß nun SG Kleinzschocher Leipzig West, der Sportpark wurde nach dem 1945 hingerichteten Antifaschisten Kurt-Kresse benannt, das 1921 errichtete Denkmal für die im Ersten Weltkrieg gefallenen Vereinskameraden war nun ein Denkmal für Kurt Kresse.
Nach Umstellung des Sportsystems in der DDR auf Betriebssportgemeinschaften erhielt die SG nun den Namen BSG Vorwärts Südwest Leipzig, kurz darauf BSG Stahl West Leipzig und schließlich ab April 1952 den Namen BSG Motor Leipzig West. Trägerbetrieb war der VEB Schwermaschinenbau S.M. Kirow., ein Werk gleich in der Nähe der Sportanlage, die bis heute vor allem Spezialkräne bauen. Daher fanden auf der Kurt-Kresse-Kampfbahn ab sofort auch jährliche Sportfeste des VEB statt. Der Großsportverein hatte Angangs 250 Mitglieder, Mitte der 1960er bereits 1.500.

Die SG-Fußballer scheiterten 1949 auf skandalöse und bis heute nicht aufgeklärte Art und Weise am Aufstieg zur neuen Landesliga, damals die höchste Liga. Man musste ab 1950 daher in der zweitklassigen Bezirksliga Leipzig antreten. Mit der Auflösung der Länder 1952, einer daraus resultierenden Ligareform und aufgrund schwacher sportlicher Leistungen fand sich der TuB-Nachfolger ab 1952 nur noch in der 1. Kreisklasse Leipzig (heute Stadtliga), Staffel III, wieder. Es gelang aber als Motor West der sofortige Aufstieg in die Bezirksklasse Leipzig. Der Verein war im neuen System langsam angekommen.
Historisch gesehen galt der alte TuB, aber auch Nachfolger Motor West als Mehrspartenverein. Bis 1945 waren, neben Fußball, Turnen und Handball (ab 1922) die größten Abteilungen. Hinzu kamen bis 1945 Leichtathletik (ab 1905), Hockey (ab 1918) und Wandern (ab 1933). Am erfolgreichsten waren sicherlich die Herren-Feld-Handballer, die bereits 1923 Gaumeister geworden waren. Doch die Frauen liefen den Herren schnell den Rang ab und lieferten ab den 1930er Jahren zahlreiche Erfolge (u.a. Gaumeister 1944). In den Jahren 1949 und 1950 wurden die Feldhandballerinnen Ostzonen- bzw. DDR-Meister!

Die Fußballer waren zu DDR-Zeiten meist in der Bezirksklasse Leipzig zu finden. War man in den 1950ern immer in der Spitzengruppe, so hatte man ausgerechnet im Qualifikationsjahr für die neue Bezirksliga 1959 eine schwache Saison. Nun musste man in der 1. Kreisklasse Leipzig (heute Stadtliga) spielen, stieg aber sogleich wieder in die Bezirksklasse auf. Mitte der 1960er stiegt man wieder ab, diesmal in die Stadtklasse (heute Stadtliga). 1967 wurde man nach einem 2:1-Sieg gegen Lok Leipzig II Stadtmeister, verpasste aber in der Relegation den Aufstieg, was aber wenig später gelingen sollte. Von 1971/72 bis 1984/85 spielte man ununterbrochen in der Bezirksklasse, der vierthöchsten DDR-Liga. Im Jahr 1986 gewann man erstmals den Stadtpokal nach einem 2:0 n.V. gegen Lok Wahren. Ein Jahr später wurde man erneut Stadtmeister, verpasste aber den Aufstieg. Im den Spieljahren 1989 und 1990 gewann man wiederum den Stadtpokal, 1989 mit einem 3:0 gegen Turbine im Stadion der Freundschaft, der heutigen zweiten Heimstätte des FC Blau-Weiß Leipzig.
Nach zwei Weltkriegen und mehreren Systembrüchen stand nun ein weiterer Umbruch an. Mit dem Ende der DDR 1990 ergaben sich neue Herausforderungen und Chancen. Und diesmal stand man sportlich gar nicht schlecht da. Im Jahr 1992 holte Motor West den Stadtmeistertitel und stieg erstmals direkt in die Bezirksklasse Leipzig auf. Ab dem Jahr 1992/93 spielte man wieder unter dem neuen alten Namen TuB Leipzig (Abtrennung der Fußballabteilung vom SV Motor Leipzig West). Eine Umbenennung der Kurt-Kresse-Kampfbahn scheiterte indessen am Veto der Stadt, dem neuen Eigentümer der ursprünglich TuB gehörenden Anlage. Aber eine kleine Brise einstiger Fußballtradition zog nun wieder über die Sportstätte.
Nach 40 Jahren realexistierendem Sozialismus war die Anlage in einem schlechten Zustand. Die letzte Baummaßnahme war die Herrichtung des noch heute genutzten Hartplatzes (1989). Das Vereinsgebäude wurde bereits zu DDR-Zeiten baupolizeilich gesperrt und ersatzweise Container als Kabinen neben dem Hartplatz aufgebaut. Im Jahr 1994 wurde das Vereinshaus, historisches Herzstück des Vereins, abgerissen. Eine Sanierung wäre genauso teuer wie ein Neubau gewesen, sagte man damals. Übergangsweise wurden 1996/97 Umkleidecontainer aufgebaut, da die alten DDR-Container ebenfalls nicht mehr nutzbar waren. Im Leipziger Sportprogramm 2004 wurde der Neubau eines massiven Sozialtraktes festgeschrieben. 1999 erfolgte der selbst organisierte Aufbau des TuB-Casinos, damit der Verein auch die Möglichkeit hatte, ein Vereinsleben zu organisieren. Hinzu kamen weiterhin ungeklärte Grundstücksfragen und die damit einhergehende finanzielle Belastung.

Die Sportler im nun reinen Fußballverein spielten von 1992/93 bis 1999/2000 durchgängig in der Bezirksklasse Leipzig, zumeist im hinteren Drittel der Tabelle. Die 90-Jahrfeier 1995 war von Optimismus und Tradition geprägt. Viele alte TuB-Mitglieder wurden für ihre 50jährige Mitgliedschaft ausgezeichnet. Wie vielen Vereinen in dieser Zeit war auch bei TuB in den 1990igern nicht richtig klar, wo die Reise hingehen wird. Eine vergleichsweise große Tradition, eine sanierungsbedürftige Anlage mit Altlasten und eine zerrissene, von gesellschaftlichen Umbrüchen gezeichnete Mitgliederschaft, die andere Probleme hatte, als einen Verein wieder aufzubauen.
Ein großer Skandal zeichnete um die Jahrtausendwende die Richtung der nächsten Jahre vor. Nach der Kündigung des Trainers zum Saisonende weigerten sich die Spieler der 1. Herren am 15. Mai 1999 im Spiel gegen Böhlitz-Ehrenberg anzutreten. Infolgedessen meldeten sich die Mannschaft ab und wechselte den Verein, überwiegend zu TuS Leutzsch, wo es auch den Trainer hin verschlug. Mit Spielern aus der 2. Mannschaft und der A-Jugend wurde nun ein Himmelfahrtskommando für die folgende Saison aufgestellt. TuB wurde Letzter mit 21:113 Toren und 7 Punkten. Das letzte Spiel verlor man gegen Taucha mit 1:17! Auch für die Stadtliga war man in der folgenden Saison zu schwach und stieg als Tabellenletzter in die 1. Kreisklasse ab.
Im Jahr 2002 packte man wieder den Aufstieg in die höchste Leipziger Spielklasse, stieg aber sogleich knapp ab. Letztmalig gelang zur 100-Jahrfeier im Jahr 2005 der Aufstieg. Mit dem Abstieg 2007 sollte der Verein dann nie mehr nach oben kommen. Bereits Ende der Nuller-Jahre verfügte TuB, einst ein herausragender Verein in Sachen Jugendförderung, über kaum mehr Nachwuchsteams. Neben einer 1. und 2. Herren gab es noch von 2008 bis 2012 ein Frauenteam. Von 2008 bis 2015 vermietete man den Platz an den LSV Brauwasser, um notwendige Einnahmen zu generieren. Von 2015 bis zur Fusion 2017 spielte hier noch der Leipzig United F.C. in Kooperation mit den VfK Blau-Weiß. Die finanzielle Situation verschlechterte sich in den 2010er Jahren zusehends, engagierte und langjährige Vorstände verabschiedeten sich. Es sah nicht gut aus um den einst traditionsreichen TuB Leipzig.

Bedingt durch die Kooperation mit Blau-Weiß und United entwickelten sich im Herbst 2016 lose Gespräche, die aber schnell konkret wurden. Hintergrund war der Druck der Stadt Leipzig auf den Verein und die Strategie, die Anlage einem anderen, damals aufstrebenden Verein zu geben. TuB wäre in einer schlechten Verhandlungsposition gewesen, auch aufgrund der mittlerweile dramatischen finanziellen Situation und dem Wegbruch von fast allen Teams. Die Zeit spielte für die Stadt und ein potenter kapitalstarker Akteur stand im Hintergrund. So wurde die Idee einer Fusion zur Sicherung der Anlage für alle drei Vereine schnell in die Tat umgesetzt. Seit 2017 spielt nun der Fusionsverein FC Blau-Weiß Leipzig auf der traditionsreichen Kurt-Kresse-Kampfbahn. Bis heute trainieren und feiern die TuB-Alte-Herren auf der Anlage und tragen einen wesentlichen Anteil zur TuB-Traditionswahrung und zum Vereinsleben des FC Blau-Weiß bei.